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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Die wunderbare Laufrolle und die Äsche



Centrepinfan
02.01.2016, 17:20
Liebe Foren Teilnehmer, nachdem sich lucius und ich gestern schon ziemlich lange über die Laufrolle unterhalten haben und auch schon einiges an Bildmaterial vorhanden ist, möchte ich nun versuchen, Euch die Geschichte dieses Instrumentes näher zu bringen. Bilder lasse ich jetzt mal vorläufig weg, die werden dann zu einem späteren Zeitpunkt folgen, wenn mein Nachwuchs zur technischen Unterstützung wieder da ist. Nicht behandeln werde ich den Einsatz beim Renken Fischen, da mir dazu schlichtweg die Praxis fehlt.
Wir Schweizer sind in vielen Bereichen ein spezielle Volk. So auch in der Flussfischerei wo wir (mit Ausnahme von mir) ausgesprochen Salmoniden orientiert sind. In den 60er Jahren kannte man bei uns eigentlich nur zwei Jahreszeiten und zwar die Forellen Saison von Februar oder spätestens anfangs März bis Ende September und dann die Äschen Saison von Oktober bis Ende Januar. Die übrigen Fische störten dabei eher. Die Forelle ist in diesem Zusammenhang eher uninteressant und die Äsche besetzt die Hauptrolle.
Mit Beginn des Herbstes sammelten sich also die Petri Jünger an den Flüssen wie Reuss, Limmat , Aare und Rhein und wollten Äschen fangen. Dazu wird das richtige Werkzeug benötigt. Die Fliegenfischerei schlossen die meisten gleich von Beginn weg aus, viel zu kompliziert, elitär und auch nicht sehr effizient. Die Pose oder besser der Zapfen, wie wir hier sagen, wird’s schon richten. Bei den Ruten war das Problem schnell gelöst. In den Geschäften an „besserer“ Adresse gab es schöne mehrteilige Hohlglasruten von einer englischen Firma, die mit H beginnt. Für die weniger Begüterten wurden von der Firma Stucki und dem legendären Fritz Schreck in Schlieren ähnliche Ruten hergestellt. Diese waren zwar auch nicht zu Discount Preisen zu haben aber irgendwie noch tragbar. Je nach Gewässer benötige man eine Rute in der Länge zwischen 3.30 und 4.50 Metern.
Schwieriger stellte sich die Rollen Frage dar. Eine Stationär Rolle war für die Äschen Fischerei völlig ungeeignet. Der Köder muss absolut sauber in der Strömung in Grundnähe ohne Ruckeln und Zuckeln schwimmen, sonst lässt ihn die Dame links liegen. Höchstens eine hungrige Regenbogenforelle schnappt dann noch zu. Weiter merkt die Dame nach dem Zuschnappen den Betrug sofort und spuckt den Köder sogleich wieder aus. Also muss der Anhieb sofort erfolgen. Dazu wird ein Präzisionsinstrument benötigt. Zu jener Zeit gab es bereits die Lemax Centrepins, doch die waren wohl den meisten Fischern für diese Fischerei zu klein und so einfach auf grosse Distanz zu werfen sind sie auch nicht. Die Lösung wurde von einem Herrn Hofmann gefunden. Er nahm zwei Metall Scheiben mit einem Durchmesser von 12 cm davon eine mit gerader und die andere mit nach aussen gewölbter Kante. Die Scheiben hatten in der Mitte ein grosses Loch, um später eine qualitativ hochwertiges Lager einzubauen. Verbunden wurden die Scheiben mit einer Vielzahl von Querstangen (sieht man im Bild von lucius). So hatte man eine sehr leichte und qualitativ hochwertige Spule. Diese Spule wurde mit einem Stift durch das Lager an einem simplen Rollen Fuss ohne Rückwand aufgehängt. Oben am Rollenfuss sass noch ein qualitativ hochwertiger Wende Mechanismus und fertig war die Speedy, wie sie getauft wurde. Diese Rolle erfüllte alle in sie gestellte Anforderungen und wurde, obwohl sie über CHF 150.—kostete auch häufig gekauft. Wenn man sie einsetzt sollte man die Schnur so aufspulen, dass sie, im Gegensatz zur Pin, oben raus läuft, dann gibt es auch fast kein Vertüdeln.
Nach dem Tode von Hofmann wurden keine Speedys mehr produziert, da es patentrechtliche Schwierigkeiten gab. Die heutigen Laufrollen basieren auf einer anderen Technik. Dort wird die Spule aus einem Alu Block gefräst und kommt darum ohne Stege aus. Die Spule ist aber nach wie vor sehr leicht. Mir persönlich gefallen sie einfach nicht mehr so wie die gute alte Speedy.
Aus meiner Sicht ist die Speedy und auch andere Laufrollen auch heute noch ein sehr gutes Gerät zum Trotten mit der Pose im Fluss. Für sämtliche übrige Anwendungsbereiche (wie gesagt lassen wir das Heben beim Hegenen Fischen weg) ist sie aber nicht geeignet. Sie sollte um richtig eingesetzt werden zu können, dauernd in der Hand gehalten und aktiv gefischt werden. Dann spielt sie ihre Vorzüge voll aus. Ich benütze sie sehr gerne bei Niedrigwasser, weil dann in den Staustufen des Hochrheins wo ich fische, kaum Strömung herrscht und dann mit ihr der Schnurabzug und die kontrollierte Drift einfach unglaublich sind. In den meisten übrigen Situationen kommt dann wieder die Pin zum Einsatz. Darum habe ich auch auf meinem Centrepinfan Bild eine Lemax, eine Bob James von Youngs und eine Speedy.
Es gäbe noch viel über die Laufrolle zu erzählen, doch wichtig ist, dass sie nur gebaut wurde, um über ausreichendes Gerät zum Äschen Fang zu verfügen.
Und um nun die ganze Sache mit den Laufrollen endgültig abzuschliessen, noch ein Video dazu. Besonders der Drehwurf hat noch was für sich. Das ist der 2. Wurf auf dem Video und nicht der Wenderollen Wurf. Beim Wenderollen Wurf sieht man aber schön die Schnur oben.

http://www.petri-heil.ch/keine-hexerei/

Trotter
02.01.2016, 17:30
Prima erklärt, Hanspeter!
Aber ein paar Fragen habe ich dazu: 1. Wie sieht die Montage unterhalb der Pose aus? 2. Drehwurf, ok, aber wie weit wirft man damit? Eine Wenderolle hatte ich auch mal, taugt aber nicht viel, weil der Schnurdrall übelst ist. Benutzt ihr Wirbel ?

Gruss Trotter

Centrepinfan
02.01.2016, 17:45
Prima erklärt, Hanspeter!
Aber ein paar Fragen habe ich dazu: 1. Wie sieht die Montage unterhalb der Pose aus? 2. Drehwurf, ok, aber wie weit wirft man damit? Eine Wenderolle hatte ich auch mal, taugt aber nicht viel, weil der Schnurdrall übelst ist. Benutzt ihr Wirbel ?

Gruss Trotter

Danke Olli. Der Drall ist wirklich ein Problem darum müssten leider Wirbel ran. Die "jüngeren" Laufrollen Besitzer fischen sie mit Geflecht und Qualitätswirbeln, die verträgt den Drall besser. Ich persönlich fische sie mit 20er Mono und auch an der Pose durchgehend. Da ich ja vier Stück habe und auch noch andere Rollen einsetze dauert es ziemlich lange, bis eine Schnur wirklich verdrallt ist und dann wird sie halt gewechselt.
Drehwurf. Je nach Können und Rolle so um die 20 Meter. Hängt wohl damit zusammen, dass sich die Schnur oben positiv auf den Abzug und die Weite auswirkt.
Die klassische Äschen Montage ist entweder Ketten oder Punkt-Bebleibung mit ein paar kleinen Schroten auf dem Vorfach. Sehr guter Wirbel. Feines Vorfach und dann entweder natürliche Köder auf geleimten Angelhaken oder künstliche Nymphen, Kunstmaden, rote Haken.

Centrepinfan
02.01.2016, 17:50
Drehwurf. Je nach Können und Rolle so um die 20 Meter. Wahrscheinlich weil sich die oben liegende Schnur positiv auf den Abzug auswirkt, aber das ist nur eine Vermutung.

satt2006
02.01.2016, 17:52
Vielen Dank, sehr spannend!

Gruß Christian

Peter
02.01.2016, 17:52
HP :danke: für diesen tollen Beitrag!! :thumbs:

kuttenkarl
02.01.2016, 18:05
Danke, wieder was gelernt.:thumbs:

Centrepinfan
02.01.2016, 18:21
Nochmals zurück zum Drehwurf. Ich war zwar ausgesprochen schlecht in Physik aber fasle mal unbekümmert drauf los. Die Spule der Laufrolle ist ausgesprochen leicht. Behaupte jetzt mal, dass sich das positiv auf die Trägheit auswirkt. Ihr Anlaufwiderstand ist tendenziell geringer als bei der Pin. Die Schnur kann, wenn sie oben liegt, in direkter Linie ablaufen. Oder kann man nicht auch sagen, dass sie aufgrund dieser Voraussetzungen ohne den Zug, wie er beim Wallis Cast benötigt wird, auskommt. Kann mir gut vorstellen, dass Olli damit unglaublich weit werfen könnte und dann auch keinen Drall hat. Aber wie schon gesagt, ist das nur mein Gefasel. Es gibt aber Leute hier, die etwas von Physik und Technik verstehen.

Freddy
02.01.2016, 20:17
Vielen Dank für diesen interessanten Beitrag.

Gruß Freddy

Tincer
02.01.2016, 20:53
Ein interessanter Beitrag, danke Hanspeter :applaus:
Diese nicht gerade winzigen Röllchen laufen ja augenscheinlich wie ein Schweizer Uhrwerk :thumbs:

Centrepinfan
02.01.2016, 21:31
Ein interessanter Beitrag, danke Hanspeter :applaus:
Diese nicht gerade winzigen Röllchen laufen ja augenscheinlich wie ein Schweizer Uhrwerk :thumbs:

Deswegen mag ich lieber die alte Speedy mit ihren 12 cm. Die neuere sind mir mit 18 cm einfach zu gross. Es gibt noch welche in 15 cm aber auch das ist schon fast eine Tellermine. Da nehme ich einen geringeren Schnureinzug gerne in Kauf.

lucius
02.01.2016, 21:54
Vielen Dank H.P.;damit ist die Datenbank deutlich kompletter als gestern noch..

Walter61
23.04.2017, 17:27
Hole mal das Thema von H.P. wieder hervor.
Hab ne Stucki Thun Wenderolle bekommen.
Leg mal ein ein paar Fotos bei:
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Na das ist ja ein Ding, hab sie mal angedreht. Sie läuft mit einmal normal drehen um die 4 Minuten.
Sie hat keine Bremse sondern nur einen Arretierungsstift für den Transport.

Gruß Walter

nasobem
23.04.2017, 20:16
Stucki Roto mit Unwucht durch aufgespulte Schnur mit Haken dran:


https://www.youtube.com/watch?v=AzJpCm3B1MU

Walter61
23.04.2017, 21:50
Ja, genauso läuft sie, aber auch ohne aufgespulte Schnur.
Besten Dank für die Info.
Gruß Walter

Centrepinfan
24.04.2017, 08:26
Super Fang, gratuliere Walter. Damit kannst Du jede noch so kleine Pose in der schwächsten Strömung sehr effektiv fischen. Falls Du sie einsetzen willst, schaue Dir noch das Video an und spule, wie dort gezeigt, die Schnur so auf, dass sie im Gegensatz zu einer Pin oben durch läuft. Wegen der fehlenden Rückwand hast Du so die Schnur viel weniger um die Spule gewickelt. Dadurch läuft sie in der Drift vorwärts und Du musst rückwärts kurbeln, aber das ist reine Gewöhnungssache. Ist ein Werkzeug zum Posenfischen und allenfalls noch mit der Hegen. Für andere Angelarten ist sie wegen der fehlenden Knarre nicht geeignet. Nicht vergessen, Spule zu arretieren, wenn sie an der Rute montiert und nicht im Einsatz ist, sonst wirst Du das schnell bereuen. Wünsche Dir viel Spass und Petri Heil damit.

nasobem
24.04.2017, 20:23
Bei Seitenwind bläst es auch mal die Schnur von der Rolle, sie hat ja eine Wurfkante.
Meine stammt übrigens aus der Güterstraße.

Centrepinfan
21.07.2017, 19:57
Bei Seitenwind bläst es auch mal die Schnur von der Rolle, sie hat ja eine Wurfkante.
Meine stammt übrigens aus der Güterstraße.

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