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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Kleine Kunde: Spulenhub



mupliss
29.08.2014, 22:01
Bei verschiedenen Rollen wird immer wieder über gute oder schlechte Schnurverlegung geschrieben. Aber wie kommt diese Schnurverlegung eigentlich zustande?
Hier die kleine Kunde...

Die Stationärrolle heißt im Englischen "fixed spool reel", also Rolle mit feststehender Spule. Die Schnur kann also nicht mit einer sich drehenden Spule, vgl. Centre Pin Reel, aufgenommen werden, sondern muss irgendwie um die stehende Spule gewickelt werden.
Jetzt kennen wir also alle diesen ominösen Rotor mit Umlenkung in Form eines Schnurlaufröllchens. Den Stator in diesem System gibt die Spule.
Wenn man jetzt die Schnur aber einfach nur aufwickelt, passiert das, was man von der Pin kennt: die Schnurverlegung ist u.U. ungleichmäßig oder auch chaotisch.
Bei einer Centre Pin Reel ist dies nicht weiter schlimm, weil die Schnur durch das Drehen der Spule von der Spule abgewickelt wird. Es liegt also immer die letze Schnurwicklung außen und nach innen wird abgewickelt.
Bei einer Stationärrolle aber wird die Schnur nicht durch Drehen der Spule abgenommen. Die Schnur wird seitlich über den Spulenrand gezwungen, bildet eine Spirale und wandert durch den Leitring. Hier ist es jetzt günstig, wenn die Schnur nicht chaotisch, sondern sehr gleichmäßig über den Spulenrand wandert.

Für eine solche gleichmäßige Schnurverlegung ist es notwendig, die Schnur möglichst parallel auf die Spule zu legen. D. h., ein schneller Spulenhub ist kontraproduktiv, weil die Schnur X-förmig aufgespult wird.

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Hier sehen wir am Beispiel einer Shakespeare 2050 (schon modernes Hypoidgetriebe) eine weit verbreitete Konstruktion einen Spulenhub zu realisieren. Auf dem Antriebsrad befindet sich ein "Bommel". Dieser Bommel greift in einen Schieber, in dem er sich pro Kurbelumdrehung einmal aus der Mitte nach oben, unten und wieder zurück in die Mitte bewegt. 1 Kurbelumdrehung = 1 voller Spulenhub.
Klassische Rollen, wie DAM Quick oder auch Shakespeare Ambidex oder President II verfügen über ein Schneckengetriebe mit Spulenhub durch eine Pleulstange. Auf dem Antriebsrad ist ein großer Bommel, über den eine Stange läuft, die am Ende der Spulenachse angebracht ist. 1 Kurbelumdrehung = 1 voller Spulenhub.

Die Höhe des Spulenhubs ist denkbar einfach zu realisieren: je weiter außen auf dem Antriebsrad der Bommel sitzt, desto größer der Hub. Sitzt er ganz innen, ist der Hub entsprechend klein. Für eine gute (parallele) Schnurverlegung macht ein großer Hub hierbei keinen Sinn, denn die Schnur wird lediglich immer X-förmiger verlegt, weil ja die Übersetzung sich nicht ändert: 1 Kurbelumdrehung = 1 voller Spulenhub.

Für eine bessere Schnurverlegung muss man also eine Untersetzung von Kurbelumdrehung zu Spulenhub realisieren.

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Am Beispiel der Ambidex Super erkennt man ein Hypoidgetriebe mit einem Antriebsrad mit zusätzlichem Zahnrad. Dieses zusätzliche Zahnrad betätigt eine Nebenrad, auf dem ein uns bekannter Bommel einen (bronzefarbenen) Schieber bewegt, der die Spulenachse hebt und senkt.
Das Prinzip ist also das Gleiche, wie bei der 2050, jedoch untersetzt man den Spulen hub auf etwa 1,8 Kurbelumdrehung = 1 voller Spulenhub.
Und dies führt zu einer wesentlich paralleleren und damit gleichmäßigeren und besseren Schnurverlegung.

Moderne Rollen mit sog. "Worm Shaft" verfügen über eine Nebenwelle, auf der eine Hülse mit einen "unendlichen Gewinde" läuft. Ein Bolzen ist mit der Spulenachse verbunden und greift in das "unendlichen Gewinde". Dieses spezielle Gewinde hat z.B. 3 positive und 3 negative Steigungen. Der Bolzen fährt also 3 Umdrehungen rauf und direkt wieder 3 Umdrehungen runter. Und immer so weiter, deshalb "unendliches Gewinde".
Hier generiert man also einen Spulenhub aus 6 Kurbelumdrehungen. Vgl. Shimano Technium? Man kann also eine sehr langen und sehr langsamen Spulenhub erzeugen, der äußerst parallele Wicklungen ermöglicht.

Praxis und Berechtigung

Schnecken-/Hypoidgetriebe mit Spulenhub durch Pleuelstange oder Schieber haben trotz der schlechten Schnurverlegung noch heute ihre Berechtigung.
Gerade für Großfische in Süß- und Salzwasser sind diese Getriebekonzepte noch immer der Maßstab. Vgl. Big Pit Rollen: Große Rollen mit großem Spulenhub fahren sehr weit aus, d.h. der wirksame Hebel von Schnurlaufröllchen zur Achse ist sehr ungünstig. Im Salzwasser oder auf z.B. Wels deformiert man im Drill die Achse und zerstört so die Rolle, vgl. S5000T, Millionmax, SS3000, etc. . Rollen mit flacher Spule, wenig Spulenhub, vgl. Penn, Quick, Sigma 080, haben hier bis heute die Nase vorn.
Ganz puristisch ist hier eine Rolle mit Kegelgetriebe und Pleuel/Schieberantrieb und kaum Spulenhub. Vgl. Van Staal Meeresrollen. Das ist dann Abteilung unkaputtbare Arbeitsmaschine.

Unterlegscheiben (fast vergessen)

Viele Rollen aus den 1970er und 1980er Jahren haben Unterlegscheiben, die man unter der Spule variieren kann.
Was passiert? Man verlagert den Mittelpunkt der Spule rauf oder runter, d.h., man produziert einen Konus der Schnur auf der Spule. Die Schnur liegt also nun Richtung Ende der Spule fallend oder steigend auf der Spule.
Angeblich beeinflusst dies enorm die Wurfeigenschaften.
Ich kann dies nicht beurteilen. Jedoch habe ich den Eindruck, dass ein zunehmender Konus
zur Spulenkante eher nützlich ist.

lucius
29.08.2014, 23:09
Sehr informativer Beitrag.Zu den Unterlagscheiben unter der Spule:Gerade bei alten Quick Finessas und Mitchell 300 Rollen
habe ich persönlich festgestellt,dass es tatsächlich nicht unbedeutend ist ob diese Dinger da sind wo sie hingehören oder eben nicht.Das korrekte shimming wie die Briten es nennen ist entscheidend für einen guten Lauf der Rolle und eben für die Schnurverlegung.Habe selber ein paar Spulen auf Rollen draufgehabt wo das Wickelbild ne Katastrophe war.Bis ich feststellte
das diese Zwischenlagen aus Vulkanfiber und dergleichen aus welchen Gründen auch immer fehlten.Bei Mitchell muss man
sogar die Spule zerlegen um das Festzustellen.Naja lange Rede kurzer Schwachsinn: Durch ergänzen dieser Spule passte dann
das Wickelbild auch wieder.Hab ne Quick Super wo es so extrem ist dass der rollenseitige Kern noch sichbar ist wärend
an der abwurfkante die Schur schon drüberquillt...

Das beste Getriebe in meinen Augen ist übrigens das Level Wind aus der Halbbügel Mitchell (300).Hadere noch mit mir ob
es hier so viele Interessenten gäge das es sich lohnt die 300 er Mitchellserie mal unter die Lupe zu nehmen,respektive Vorzustellen.Da gibt es nämlich ein paar Feinheiten die entscheidend über Qualität und Preis dieser Rollen sind......

Thommy
30.08.2014, 03:47
Von mir aus gerne......

Ich fische etliche 300/308 bzw. 408/410 :nachdenk:

Tincer
01.09.2014, 00:14
An den alten DDR Rollen musste man fast immer herumtunen, dass der Spulenhub auch so passte, dass man mit dem Wickelbild leben konnte.