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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Baumbestimmung im SC Rutenwald



Centrepinfan
16.04.2016, 16:34
Schon seit längerer Zeit versuche ich mich im SC Rutenwald zurechtzufinden und die Bäume möglichst nach Art und Familie bestimmen zu können. Bis jetzt ist mir das aber noch nicht gelungen. Darum schreibe ich mal auf, was ich meine verstanden zu haben und mische es mit meinen Fragen und Mutmassungen. Vielleicht lässt sich so im Laufe der Zeit daraus eine vernünftige Bestimmungstabelle erstellen. Ich beschränke mich auf die Naturköderruten und lasse die Fliegen- und Spinnruten bewusst weg, obwohl sich wohl auch manche SC Lachs- oder Hechtrute wunderbar zu einer Naturköderrute zweckentfremden liesse. Beginnen wir mit dem doch recht einfachen:
Die carp
10 Fuss lang, 1 ½ Pfund Testkurve, zweiteilig. Von diversen Herstellern angeboten, gerne mit der Bezeichnung Richard Walker, da er wohl die Urform dieser Rute entwickelt hat. Soweit so gut, doch hier gibt es noch sogenannte stepped up Ruten, vermute mal, dass diese kräftiger sind und wohl auch für recht grosse Karpfen und Hechte tauglich sind. Ob das aber bereits eine eigene Familie ist, ist mir schon mal nicht klar. Genau so wenig wo genau die Unterschiede zu einer simplen carp liegen.
Richtig schwierig wird es dann beim nächsten Ruten Typ:
Die avon
Habe zuerst gedacht, auch ganz einfach, 10 Fuss lang und Testkurve von einem Pfund, zweiteilig und das war’s. Da habe ich zum Beispiel noch so eine Strikerite. Die Länge und die TC würden eigentlich passen, doch sie ist nun zweiteilig aber mit einem zusätzlichen separaten Handteil, was sie wohl zu einer dreiteiligen Rute macht. Also können nun avons auch dreiteilig sein und wenn sie dreitteilig sind, müssen sie dann ungleich geteilt sein? Also bereits das nächste nicht gelöste Detail. Einige meiner weiteren Ruten sind gleichmässig dreiteilig, haben eine TC von auch ungefähr einem Pfund und es steht sonst nichts drauf, handelt es sich nun auch um avons? Irgendwo habe ich mal gelesen, dass ungleich geteilte etwas über 3 Meter lange Ruten auch als Trotter Ruten bezeichnet werden. Ist eine Trotter nun eine Unterart der avon oder bereits eine eigene Familie?
Richtig verwirrend wurde es dann noch, als ich etwas von der avon perfection las. Zuerst habe ich gedacht, dass des halt eine besondere Rute von B. James sei und vielleicht wegen der kürzeren Teilung nun die Bezeichnung perfection von der Firma erhalten hat. Seit der Fangmeldung von Lippenfreund weiss ich nun aber, dass auch andere Firmen Ruten mit dieser Bezeichnung hergestellt haben. Also auch hier die Frage avon Rute oder schon wieder eine eigene Art?
Ich bin stolzer Besitzer einer B. James avocet. Dass es sich bei einem avocet um einen Vogel handelt, habe ich zwischenzeitlich rausgefunden. Ging einige Zeit davon aus, dass das auch eine Art avon Rute ist, wenn auch dreiteilig und gleichmässig geteilt und länger als 10 Fuss und halt mit diesem Namen von B. James vertrieben wurde. Zwischenzeitlich habe ich aber auch von anderen Herstellern solche Ruten gesehen. Einige waren vollständig gesplisst, andere hatten ein Handteil aus Vollbambus. Ist nun eine avocet bereits eine eigene Art oder eine Unterart der avon oder was auch immer?
Zusätzlich tauchen dann Ruten auf, die nach Flüssen, wie z.B. Kenneth benannt sind. So viel ich bis jetzt gesehen habe, sehen die auch mehr oder weniger wie ungleich geteilte avons aus. Also bereits wieder eine avon oder doch was anderes?
Die Barbel
Grundsätzlich habe ich zuerst gedacht, das wird wohl auch eine avon sein. Schaut man aber auf die TC dann liegt die oft bei 1 ½ Pfund also wieder eine Carp?
Die roach
Scheint eine eigene Familie zu sein, da unter 1 Pfund TC
Ruten mit float im Namen
Nun gibt es noch Ruten die nufloat oder floatmaster genannt werden. Habe solche Ruten bis jetzt immer mit der Pose gefischt. Da aber Einschraubgewinde vorhanden sind, können sie wohl auch zum feineren Grundfischen eingesetzt werden. Zu welcher Familie gehören aber nun diese Ruten?
Ruten mit swim im Namen
Dreiteilige Ruten mit Namen wie swimmaster sind mir auch schon begegnet. Sie scheinen ein wenig kräftiger zu sein als die floats, doch wirklich schlüssig bin ich daraus nicht geworden.
Wie sieht es bei Euch aus, habt Ihr es geschafft, diese Ruten irgendwie sinnvoll einzuteilen. Ich auf jeden Fall blicke da nicht so richtig durch.
Mit Gruss
H.P.

mupliss
16.04.2016, 20:24
N'Abend HP,

ich denke, man muss erstmal verstehen, wie damals eine Rute entwickelt wurde. Also Richard Walker hat sich Bambus bei J.B. Walker gekauft und mit seinem alten Professor den Blank berechnet, gebaut und weiterentwickelt. Und die 4. Rute, also Mark four, MK IV, war es dann. Richard Walker Carp MK IV. Und diese Rute ist jetzt im Grunde gar keine Rute, sondern eine Bauanleitung. Länge, Steigung, Maße...alles bekannt und so haben unzählige Rodmaker in ganz England diese Rute gebaut. Und natürlich in unterschiedlichen Qualitäten, sowohl von der Arbeit, als auch vom Material.

RW Carp 10.2ft 1.5lb fullflex.
RW Avon 10.2ft 1.0lb fullflex.

Dann kommt jetzt ein Geniestreich: wie baue ich 12ft Ruten, wenn es so schwierig ist 6ft Blanks zu produzieren? Man nimmt eine 10ft 2-teilig und steckt die auf ein Handteil. Simpel und effektiv. Und wenn man jetzt die 10ft Carp kürzt und auf ein Handteil steckt, bekommt man eine noch stärkere 3-teilige 10ft...
Und das Handteil darf bzw. muss stocksteif sein. Dadurch bekommt man auch schon einen Charakter Richtung Midflex, aber eher 6/8.

Bei den 10 bis 11.2ft Barbel Ruten handelt es sich ja idR um 3-teilige Ruten. Ob jetzt mit whole cane Griff oder sogar Griff und Mittelsektion - diese Ruten haben idR 1.5lb und sind aber midflex. Deshalb auch die zum Teil stocksteifen whole cane Teile.

mupliss
16.04.2016, 20:33
Die (B. James) Avocet ist eine 11.3ft 1.25lb 3-teilige Rute mit whole cane butt section, deren Taper für Döbel, Barbe und Schleie entwicklet wurde. Bekannt sidn hier Scottie Nachbauten aus den 90ern.

Auch hat Scottie die Carp und Avon nachgebaut, die Avon z.B. auch hohl (hollow), was die Rute leichter macht.

Centrepinfan
16.04.2016, 21:07
Aber meine B. James Avocet ist vollständig gesplisst. Da scheint es wirklich keinen roten Faden zu geben und unter dem gleichen Namen noch unterschiedliche Bauweisen.

Peter
17.04.2016, 01:12
Ergänzend zu mupliss' Erklärungen:

Stepped Up (kurz S/U) MKIV Karpfenruten siehe z.B. die von mir vorgestellte, auf Bob Southwell Blank aufgebaute Rute, mit ca. 2,5 lb.
Die nimmt man für stärkere Fische in besonderen Situationen z.B. zum Stalken auf Flusskarpfen mit reichlich Hindernissen.

Zur Avon: Das "Original" von F.W.K. Wallis, einem berühmten Angler, der den Avon beangelte, wurde in den Vierzigern Jahren gebaut: eine 3tlg, 11 ft lange Rute, mit whole cane butt und split cane middle und top. Später entwickelte Richard Walker aus der MKIV, eine leichtere Variante, die MKIV Avon, komplett SC, die 10ft 2 inch lang ist, jedoch 2tlg. und auch eine durchgehende Aktion hat wie die MKIV.
B. James baute u.a. die MKIV, die MKIV Avon, die 3tlg. Kennet Perfection (mit abnehmbaren Handteil) Avon Perfection und die Avocet. Eine frühe Avocet z.B. wurde mit whole cane butt und split cane middle und top gebaut, spätere Exemplare komplett SC.

Nun gibt es ja die Tendenz modernere Split Canes stärker zu machen, weil Karpfen, Barben etc. schon merklich größer geworden sind als früher. Also baut z.B. ein Herr Barder Ruten wie z.B. eine Barbus Maximus 11 ft lang mit 1,5 lb TC und eine Karpfenrute namens "Bishop", auch 11 ft lang mit 1,75 lb TC.
Paul Cook baut MKIV Stepped Up 10 ft. lang mit 2 lb TC oder Artisan Carp Perfection 11 ft. mit 1,75 lb TC (oder auf Sonderwunsch die 11ft lange und 2,75 lb TC von mupliss)

Es gibt viele SC-Ruten, viele Angelarten, verschiedene Interpretationen und letztendlich viele Angler die u.g. Ruten für unterschiedliche Angelarten total subjektiv benutzen.
SC-Ruten in "Bestimmungstabellen" und "Familien" einzuzwängen macht eigentlich keinen Sinn. Mach Dir da keinen Kopf. Nimm einfach die Rute die für die entsprechende Situation am Gewässer Sinn macht, also Deiner bevorzugten Angelart und den zu erwartenden Fischen am besten entspricht.
Chris Yates fing seinen Rekordkarpfen mit einer Richard Walker 1lb Avon-Rute, fischte mit einer Chapmans Roach auf Barben und mit seiner Edward Barder "Bishop" Karpfenrute auf Lachs ....

mupliss
17.04.2016, 08:04
Entscheidend ist auch die persönliche Vorliebe: fullflex oder midflex?

Ich fische am Fluss 10ft 1.5lb midflex, hätte aber lieber 11ft 1.5lb midflex. Erstens ist die Schnurkontrolle mit 11ft besser, dann mit dem steiferen Handteil auch die Schnurführung und die Reserve, wenn ein Flusskarpfen einsteigt. Generell ist 10/11ft 1.5lb midflex mMn die beste SC Allroundrute. Natürlich auch am stehenden Gewässer super vielseitig.

Die 1lb Avon fullflex fische ich gerne als Allroundrute am stehenden Wasser auf Weißfisch, Barsch, Zander geht, auch auf Forelle oder Äsche oder Döbel an kleinen Fließgewässern, Wiesenbächen.

Für das Fischen auf Karpfen habe ich eine 11ft 2.75lb - ziemlicher Trümmer, ziemlich teuer, weil neu gebaut. Ich habe hier aber auch Flusskarpfen jenseits der 30 Pfd. (und auch kleine Welse) und da geht mit 1.5lb eben nichts mehr.

Für sehr feine Posenfischerei habe ich eine 11.2ft 0.75lb Rute. Die ist midflex und nach heutigem Standard zu weich in der Spitze. Auf >10m Entfernung nicht fischbar, weil man die Schnur schlecht kontrollieren kann, Anhieb und Wurf schwierig, weil Rute weich. Dafür nimmt man besser ne GFK Matchmaker. Aber in the margin, an kleineren Gewässern absolut wunderbar und auch dafür gemacht.

Centrepinfan
17.04.2016, 10:51
Vielen herzlichen Dank Euch beiden. Bin davon ausgegangen, dass sich die ganze Sache irgendwie nach einem Grobraster einteilen lässt. Wenn man so still vor sich hin über die div. SC Ruten liest hat man oder zumindest ich, das Gefühl, dass da irgendwo ein Regelwerk dahinterstecken muss, das man noch nicht verstanden hat. Hat es aber keins, macht das auch nichts und das ist sehr gut zu wissen und wenn Peter eine Rute vorstellt, dann steht auch immer alles, was man über die Rute wissen muss drinnen. Der Text dort ist aber immer so professionell das ich mir schon ab und zu gedacht habe, er komme wohl aus einem Bestimmungsbuch, das mal irgendein Ruten Papst geschrieben hat.

Peter
17.04.2016, 11:03
Vielen herzlichen Dank Euch beiden. Bin davon ausgegangen, dass sich die ganze Sache irgendwie nach einem Grobraster einteilen lässt. Wenn man so still vor sich hin über die div. SC Ruten liest hat man oder zumindest ich, das Gefühl, dass da irgendwo ein Regelwerk dahinterstecken muss, das man noch nicht verstanden hat. Hat es aber keins, macht das auch nichts und das ist sehr gut zu wissen....

Nichts zu danken!


.....und wenn Peter eine Rute vorstellt, dann steht auch immer alles, was man über die Rute wissen muss drinnen. Der Text dort ist aber immer so professionell das ich mir schon ab und zu gedacht habe, er komme wohl aus einem Bestimmungsbuch, das mal irgendein Ruten Papst geschrieben hat.
:o

Na die paar Infos sollten immer zu einer Rutenvorstellung gehören. Am besten wären auch noch ein paar Fotos, mit der entsprechenden Rute in Aktion, am Wasser, und mit schönen Fängen. Ich komme leider nur so selten zum Angeln.:rotz:

Peter
17.04.2016, 11:11
Für sehr feine Posenfischerei habe ich eine 11.2ft 0.75lb Rute. Die ist midflex und nach heutigem Standard zu weich in der Spitze. Auf >10m Entfernung nicht fischbar, weil man die Schnur schlecht kontrollieren kann, Anhieb und Wurf schwierig, weil Rute weich. Dafür nimmt man besser ne GFK Matchmaker. Aber in the margin, an kleineren Gewässern absolut wunderbar und auch dafür gemacht.

Hier ist eine moderne SC in 0,75 lb und 11ft 3 inch:

http://www.stilvoll-fischen.de/threads/1910-Paul-Cook-THE-ARTISAN-AVOCET

Progressive Aktion, mit feiner, aber ganz und gar nicht weicher Spitze und Power im Handteil. Mit der kriegt man den Anschlag auf 30 Meter ohne Probleme durch. Erste Wahl, wenn es auf Döbel geht. Ich traue ihr aber auch die Landung eines 8 -10 Pf. Karpfen zu.(nur im Notfall, für Karpfen wurde sie ja nicht gebaut)

Freddy
12.07.2016, 17:22
Richard Walker...mit seinem alten Professor den Blank berechnet...

Bedarf es dazu eigentlich einem Professorentitel oder gibt es mittlerweile entsprechende Literatur? Also richtige Berechnungen und nicht bloß Erfahrungs- und Richtwerte anhand von bestimmten Rutenlängen, Tapern oder Materialeigenschaften?

Man stellt ja sicherlich nicht erst eine Rute her und sagt dann später beim Testen:
"Ah ja, wie wundervoll! - Genau diese Art von Besenstiel hatte ich vor zu bauen aber beim nächsten Mal wird es dann wirklich eine Rotaugenrute."

Gruß Freddy