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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Shakespeare Ambidex Super Reinigung und Wartung



HerrJanssen
23.01.2015, 22:57
Diese Anleitung soll auch dem interessierten Laien ermöglichen, seine klassische Rolle selbst zu zerlegen, zu reinigen und zu warten, um damit den Verschleiß zu mindern und möglichst lange Spaß an dem guten Stück zu haben.

Bitte vorab folgende Reinigungsutensilien besorgen:


Petroleum (entfettet, ohne Metalle und Lacke anzugreifen und die Explosionsgefahr ist überschaubar) ggf. Brennspiritus für völlig eingetrocknete Reste (Lack auf Spiritus-Beständigkeit prüfen)
Ausreichend großer aber nicht zu steifer Borstenpinsel
Zahnbürste
Evtl. Pfeifenreiniger (für tiefe Bohrungen)
flacher, nicht zu großer Kochtopf (standfester als Schüsseln) als „Reinigungsbecken“


Ich würde -speziell ungeübten Laien- nicht dazu raten, die Rolle komplett zu zerlegen! Vielmehr ist es hilfreich, sich baugruppenweise durchzuarbeiten, da man dabei sehr viel leichter den Überblick behält, wo z.B. welche Schrauben sitzen.

Als Beispiel für eine klassische Rolle habe ich die Shakespeare Ambidex Super gewählt (hier in der größten Ausführung 2441). Die Ambidex Super hat trotz Frontbremse eine druckknopfbetätigte Spule. Das ist ein eher ungewöhnliches Detail, schaut man sich moderne Rollen an. Die Klappkurbel können wir entweder durch Drehen gegen die Rücklaufsperre, oder aber durch Gegenhalten des Rotors lösen und entfernen. Nun ist die Rolle auch gleich viel handlicher.
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Ein Wort zu der Mutter, die den Rotor am Platz hält (roter Pfeil): Es handelt sich hier um ein Linksgewinde und die Mutter sitz gern sehr fest. Es ist also wichtig, das richtige Werkzeug zu benutzen. Ich empfehle dringend, einen gekröpften Ringschlüssel (bei der 2441 und der 2411, ist es 14mm Schlüsselweite, bei den kleineren Modellen kommen evtl. kleinere Muttern zum Einsatz), zu benutzen. Mit ungeeignetem Werkzeug kann man leicht die Rolle beschädigen und sich selbst verletzen.
Um das Arbeiten zu erleichtern, ist es sinnvoll, weitere Bauteile abzubauen. Ich entferne gern den Schnurfangbügel, da er immer dort ist, wo man ihn gerade nicht braucht…
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Mit den zwei großen Schlitzschrauben, auf die die roten Pfeile weisen, wird der Bügel gelöst. Bitte auch hier unbedingt einen passenden Schraubendreher nutzen, da man die Schrauben sonst schnell beschädigt. Sie werden einfach unansehnlich, da das Material der Schrauben eher weich ist. Ist der Bügel und die beiden Blechabdeckungen entfernt, kann man sich der Reinigung des Bügelmechanismus widmen.
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Wir finden hier häufig Unmengen Abrieb, altes, verharztes Fett und Schmutz (roter Pfeil). Alles Faktoren, die dem leichtgängigen Umklappen des Schnurfangbügels sehr abträglich sind. Da die Ambidex Super einen innen liegenden Bügelumschlag hat, wird dieser Mechanismus durch einen schwergängigen Bügel ebenfalls unnötig belastet.
Der grüne Pfeil weist auf den federbelasteten Knopf, der ein Einklappen des Bügels z.B. beim Transport ermöglicht. Einfach vorsichtig herausziehen und im Petroleumbad reinigen.

Wir reinigen also zunächst im Petroleumbad die auf dem Foto sichtbare Seite, ohne dass wir die Rolle komplett ins Petroleum stecken, sondern immer nur den Pinsel und mit der aufgenommenen Flüssigkeit das alte Fett und den Schmutz auswaschen. Immer anschließend mit einem sauberen Lappen nachwischen.
Die gegenüberliegende Seite beherbergt den genannten Mechanismus für den Bügelumschlag. Leider hab ich davon kein Foto, ist aber wirklich nicht aufregend. Hier bitte vorsichtig das alte Fett mit einem fast trockenen Pinsel auswischen und dann mit einem Lappen nachgehen, damit nicht zuviel Petroleum ins Innere des Rotors läuft. Das gibt sonst eine gehörige Sauerei. Meist ist dort eh nicht viel Schmutz.
Haben wir sparsam auf alle Teile frisches Fett aufgetragen, bauen wir den Bügel wieder an und prüfen die Funktion. (Ich nutze ordinäres Sprühfett, z.B. Aktionsware bei Aldi, für weniger belastete Teile, sowie Wälzlagerfett für Lager und Zahnräder, während das Schnurlaufröllchen und die Kurbel „Super Lube“ von Paca bekommen)
Nun kommen wir zum Rotor. Wie oben beschrieben, hat die Mutter (roter Pfeil) ein Linksgewinde und sitzt gern ordentlich fest. Aber noch nicht lösen!
Wir entfernen wiederum die drei Schrauben des Getriebedeckels (Ihr ahnt es schon, die sind weich, also passendes Werkzeug) und blicken auf das entblößte Getriebe.
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Das große Antriebsrad mit dem zweiten Wälzlager kann einfach so herausgezogen und das Wälzlager mit den Fingern vom Rad abgezogen werden. Beide Teile können eine tüchtige Petroleumwäsche vertragen. Dabei ist zu beachten, dass sich im Petroleum kein Sand o.ä. von der Reinigung befinden sollte. Das Lager also nicht einfach auf den Grund des Bades werfen, da evtl. vorhandene Sandkörner ein Wälzlager schnell zerstören können, wenn sie unerkannt bleiben.
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Auf dem Foto sehen wir den Hubmechanismus mit seinen beiden Kreuzschlitzschrauben (2441, bei der 2411 ist es nur eine Schraube, rote Pfeile). Diese Schrauben verbinden die Spulenachse und den Hubmechanismus. Die Nase am Hubmechanismus, die nach oben in Richtung des Rücklaufsperrenschalters weist, hat auf der Rückseite eine Längsnut, in der ein Stift gleitet, der auf dem unten liegenden, silbernen Rad sitzt. So wird die Drehbewegung der Kurbel in eine Auf- und Abwärts-Bewegung der Spulenachse geändert. Hier greift im Übrigen das kleine Stirnrad ein, das wir gerade frisch gefettet haben.
Entfernen wir die Schrauben, kann die Spulenachse aus dem Gehäuse gezogen werden.
Hiernach dann auch der Hubmechanismus.
Erst jetzt macht es Sinn, den Rotor abzubauen.
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Nachdem wir die Mutter und die darunter liegende Federscheibe entfernt haben, können wir den Rotor abziehen und zur Seite legen. Wir blicken am Rollengehäuse nun auf die Abdeckung des zweiten Wälzlagers und die Blechfahne, (grüner Pfeil) die den Bügelumschlag (roter Pfeil) auslöst. Die exakte Position der Fahne sollte man sich gut merken oder noch besser abfotografieren, damit man sich nachher die Justage sparen kann, da die Blechfahne durchaus Spiel in der Verschraubung und damit Einfluss auf das Umklappen des Bügels hat. Wir entfernen also die drei Schrauben, um an das darunterliegende Lager zu kommen und legen alle Einzelteile gut weg. Am Rotor kann man bestenfalls noch die Leichtgängigkeit des Mechanismus mit einem vorsichtigen Sprühstoß „Super Lube“ oder eines ähnlichen dünnflüssigen Schmiermittels optimieren. Dann kann er weggelegt werden.

Werfen wir einen Blick auf das Antriebsrad. Es erfüllt zwei Funktionen:
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Antrieb des Rotors über das Tellerrad (roter Pfeil)
Antrieb des Spulenhubs über das kleine Stirnrad (grüner Pfeil)


Hier sind die mechanischen Belastungen der Zahnflanken recht hoch, so dass ein Fett verwendet werden sollte, welches sich nicht so schnell „verdrückt“. Ich habe einen kleinen Vorrat Wälzlagerfett in einer Filmdose, die in der Schublade schlummert. Dieses Fett kann man recht großzügig auf die gereinigten Zähne des Antriebsrades auftragen. Gleiches gilt für das Wälzlager. Natürlich kann man auch die eigens für Rollen angebotenen Spezialpräparate nutzen. Ist jedem freigestellt.
Ist das Rad entsprechend geschmiert, und das ebenfalls gefettete Wälzlager (hier nicht sichtbar) montiert, kann man die Baugruppe zur Seite legen und sich den weiteren Innereien der Rolle widmen.

Die Abdeckung des Wälzlagers unter dem Rotor haben wir schon entfernt, nun kann man auch das Wälzlager mit dem Messing-Antriebsstück ein wenig aus dem Gehäuse drücken und das Lager nach vorn herausziehen. Meist dürfte an dieser geschützten Stelle nicht allzu viel im Argen sein. Wälzlager einfach reinigen, trocknen und mit frischem Fett versehen. Auf dem Bild sehen wir das entfernte Wälzlager (kleiner roter Pfeil) Der Einbau erfolgt mit der offenen Seite des Lagers zum Gehäuse hin.
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Weiter geht es. Der Antrieb kann nur in Richtung der großen roten Pfeils entfernt werden. Hier hilft auch eine gründliche Reinigung und frisches Fett. Das silberne Rad, mit dem Stift (gelber Pfeil) hat eine kleine Messingbüchse, die als Gleitlager fungiert und in der oberhalb erwähnten Nut gleitet, um den Spulenhub zu realisieren. Diese Messingbüchse ist lose. Bitte nicht verlieren! Mit der Schraube (grüner Pfeil) kann das Rad entfernt werden (Ab ins Reinigungsbad damit!) und das Gehäuse ist bis auf die Rücklaufsperre nun leer! Da diese meist völlig unauffällig und nicht gerade hart beansprucht ist, würde ich sie eingebaut lassen. Nun mit dem Pinsel sorgfältig im Petroleumbad die alten Fettreste im Gehäuse heraus waschen und alles gründlich abtrocknen. Ideal wären hier ein Kompressor und eine Ausblaspistole. Hat aber nicht jeder.
Hier noch ein mal eine Übersicht der Einzelteile:
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Nun kann man das leere Gehäuse an den kritischen Stellen mit einem ganz dünnen Film Fett ansprühen. Hier spielt das Sprühfett alle Trümpfe aus, da man leicht überall hinkommt.
Eine kritische Stelle sollte allerdings mit einem festeren Fett versorgt werden: Das Widerlager des Hubmechanismus. Hier eingekreist. (Die 2441 hat eins, die 2411 sogar zwei!)
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Dies ist eine Art Stufe im Gehäuse, auf der sich der Hubmechanismus abstützt, wenn z.B. Schnur von der Spule gezogen wird. Dieser Bereich sollte sorgfältig gefettet werden, da er auf die Leichtgängigkeit der Ambidex Super einen großen Einfluss hat.

Nun kann der Zusammenbau beginnen. Bitte alles mit Bedacht machen und das alte Bonmot der Schlosser berücksichtigen: Nach fest, kommt ab!
Alle Teile sollten gut mit frischem Fett versorgt werden, bevor die den Weg in das Gehäuse finden. Ansonsten ist das Zusammenbauen kein Hexenwerk. Alles immer wieder auf Leichtgängigkeit prüfen.
Sollte der Rotor nach dem Zusammenbau immer wieder an einer Stelle schaben, so ist vermutlich die Fahne des Bügelumschlags falsch eingestellt. Einfach den Rotor wieder entfernen (Getriebegehäuse daher erst zum Schluss verschließen, da man an die Spulenachse muss!) und die Fahne etwas weiter nach innen einstellen.
Bitte den Gehäusedeckel immer erst von Hand in Position bringen, so dass er überall anliegt, bevor man alle drei Schrauben, zunächst ebenfalls von Hand, ansetzt. Sonst könnte das Gehäuse verspannt werden und sich dabei böse verformen, sowie das Wälzlager und die Gewinde des Deckels ruinieren.

Viel Spaß!

BRB
23.01.2015, 23:08
Premiumpost!!!
Gruß-BRB

daWurzelsepp
23.01.2015, 23:13
Danke für die super Wartungsanleitung. :danke:

Für die obere Mutter am Rotor nehme ich lieber eine kleine Ratsche mit Stecknuss die eignet sich etwas besser wie ein Schraubenschlüssel und man beschädigt die Messingmutter nicht.

BRB
23.01.2015, 23:27
...lieber eine kleine Ratsche mit Stecknuss die eignet sich etwas besser wie ein Schraubenschlüssel und man beschädigt die Messingmutter nicht.

Ein gekröpfter Ringschlüssel, wie von HerrJanssen vorgeschlagen, ist von der Funktion her sowas wie eine Stecknuss und beschädigt die Mutter nicht!
Gruß-BRB

Peter
23.01.2015, 23:35
Respekt! Ich bewundere Leute die so eine Geduld haben! Für sowas bin ich echt zu faul.:rotwerd:

Bei meinen Allcocks Pins ist die Wartung in einer Minute erledigt.

HerrJanssen
23.01.2015, 23:42
Wenn man das wirklich sorgfältig macht und die Basis ist eher mäßig, dauert sowas gern knapp zwei Stunden. aber ich kann dabei herrlich entspannen.

BRB
23.01.2015, 23:57
... aber ich kann dabei herrlich entspannen.

Genau,
ist so ein wenig wie Meditation. Die einzelnen Schräubchen in einem Tuch drehen, bis der letzte Dreck aus dem Gewinde entfernt ist...Da kann ich mich auch völlig drin verlieren...:rolleyes:
Gruß-BRB

daWurzelsepp
24.01.2015, 08:50
Ein gekröpfter Ringschlüssel, wie von HerrJanssen vorgeschlagen, ist von der Funktion her sowas wie eine Stecknuss und beschädigt die Mutter nicht!
Gruß-BRB

Ok da lag ich wohl falsch.
Eine gründliche Reinigung dauert nun mal seine zeit.
Am längsten dauerts wenn die Rolle nie gewartet wurde und das alte fett so schön hart geworden ist. :nachdenk:

Entspannend ist es aber für den ein oder anderen.

HerrJanssen
24.01.2015, 09:07
Am längsten dauerts wenn die Rolle nie gewartet wurde und das alte fett so schön hart geworden ist. :nachdenk:

Genau das war bei der 2411 der Fall! Ich besitze mittlerweile mehrere Rollen aus der Zeit, aber das dort (wohl vom Vorbesitzer) verwendete Fett war in etwa so zäh, wie Universal-Kleber nach dem Aushärten. Da hätte ich die Teile vermutlich über Nacht ins Bad legen müssen. Da half dann Spiritus. Es ginge evtl. auch Bremsenreiniger, aber den verwende ich nicht in geschlossenen Räumen...

daWurzelsepp
24.01.2015, 12:22
Der Wartungsaufwand der Ambidex und Sigma sind bei weitem höher als zB einer Europaklasse Deluxe da wenn du so eine verklebte Rolle gekauft hast dann prost Mahlzeit.
Das macht keinen Spaß.

Bei der dargestellten Rolle wurde früher mal falsches fett verwendet. Sieht man schön an den Verfärbungen.

Noch eine Frage zu den Kugellagern, legst du die ebenfalls mit ins Reinigungsbad, lässt es trocknen und baust es nach dem abschmieren wider ein?
Nimmst du dann zum abschmieren fett?

HerrJanssen
24.01.2015, 12:57
Die vorliegende 2441 war offensichtlich noch nie geöffnet. Daher hätte schon vom Werk falsches Fett verwendet werden müssen, um Verfärbungen zu erzeugen... Das frische Fett stammt von mir.

Die Lager wasche ich persönlich in einem separaten Petroleumbad, in einer ausgedienten Untertasse. Geschrubbt wird mit einer Zahnbürste. Dann lege ich sie auf einen saugfähigen Lappen, der das Petroleum aufnimmt.
Fettversorgung mit Sprühfett, wobei ich mit dem Sprührohr richtig in das Lager gehe und an mehreren Stellen Fett hineinspritze. Muss dann ggf. etwas ausdampfen, damit es fester wird. So stellt man aber in jedem Fall eine zuverlässige und dauerhaft verschleißhemmende Schmierung der Wälzlager sicher.

daWurzelsepp
24.01.2015, 16:58
Danke.Jetzt weiß ich wie ich nächstes mal meine Lager gefettet bekomm.

BRB
24.01.2015, 18:44
...Fettversorgung mit Sprühfett, ...

Gute Idee!!!
Marke, Bezeichnung, Bezugsquelle?
Danke!
Gruß-BRB

HerrJanssen
24.01.2015, 19:41
Marke? Aldi Aktionsware :brutzel: (kommt bei Aldi Süd 1-2x pro Jahr rein). Aber das gibt es sicher zig vergleichbare Produkte. Wichtig ist nur, dass es kein Kettenfett o.ä. ist, sondern wirklich für die Schmierung von Maschinenteilen und Lagern. Hat bei mir im Haus diverse Verwendungen.

Im Vergleich zu Gleitlagern, kommen Wälzlager mit minimalen Mengen Schmiermittel aus. Zuviel und zu festes Fett kann also eher hemmend wirken.

Ach ja. Bevor einer fragt. Das andere exzellente Schmiermittel ist Super Lube von PACA. Ist anfangs sehr dünnflüssig aber wenn das Lösemittel raus ist, bleibt ein leichter fettiger Schmierfilm, der extrem belastbar ist. Einfach perfekt für Stellen die geölt werden sollten. Super Lube beziehe ich von der Busschmiede (http://www.busschmiede.de/shop/Superlube-Spezial-Schmiermittel).

Steht aber eigentlich alles schon in der Anleitung oberhalb. ;-)